Flaniergeschichte #2

Aus: „Die grüne Luise“ – das nachhaltige Umweltmagazin für Neustrelitz und Umgebung. Ausgabe 07/2026, Seite 4-5

„Der Glammi heizt den Menschen in Neustrelitz bald mächtig ein!“

Yassim Meyercord (32) ist Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanager der Stadt Neustrelitz. Nach seinem Dienstantritt im März 2025 hat er ein engmaschiges Netz aus Kompost-Toiletten an öffentlichen Plätzen, Wanderwegen und um die beiden Stadtseen geschaffen. Nun plant er am „Glammi“ ein neues Großprojekt: die Installation einer Wärmepumpe, die an das Fernwärmenetz angeschlossen werden soll.

Herr Meyercord, Ihr Start war kein leichter. Das von Ihnen initiierte Kompostklo-Projekt wurde zu Beginn ja sehr misstrauisch beäugt…

Meyercord: Ja, eine öffentliche Toilette, die nur mit Hobelspänen funktioniert – da hatten viele Angst vor Geruchsbelästigung und Verwahrlosung. Aber die Zeit hat gezeigt: Weder ist es zu nennenswerten Vandalismus-Vorfällen gekommen – da spielt auch die Größe der Stadt eine Rolle – noch hat es rund um die Klos unangenehm gerochen. Das Prinzip Streu funktioniert. Außerdem werden die Klos regelmäßig geleert und der Inhalt nach fest und flüssig getrennt fachgerecht kompostiert und so wieder dem Nährstoffkreislauf zugeführt.

Grundsätzlich haben sich die Menschen eher darüber gefreut, dass endlich mehr öffentliche Toiletten zur Verfügung stehen. Was wiederum dazu beigetragen hat, dass praktisch keine Taschentücher und andere Hinterlassenschaften mehr die Naturräume verschmutzen. Und niemand muss mehr in Büschen hockend das Geschäft verrichten.  

Jetzt soll das Projekt ausgeweitet werden…

Meyercord: Ja, die umliegenden Gemeinden haben Interesse angemeldet, außerdem hoffen wir, noch mehr Wanderwege im Neustrelitzer Kleinseenland mit den Kompostklos ausstatten zu können. Da sehe ich uns auf einem guten Weg. Weshalb es jetzt an der Zeit ist, ein neues Großprojekt anzugehen…

Sie wollen eine Wärmepumpe im Glambecker See installieren. Auch hier waren die ersten Reaktionen erst einmal verhalten. Können wir danach im „Glammi“ überhaupt noch schwimmen?

Meyercord: Aber natürlich, rein äußerlich wird sich praktisch nichts ändern, auch der Badebetrieb bleibt von den Maßnahmen unbeeinträchtigt. Durch die besondere Tiefe des Sees von 28 Metern bietet er sich aber optimal zur Energiegewinnung an und kann ganz einfach an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Das Seewasser wird zu einem wärmetauscher gelitet, der überträgt die Seewasserwärme auf einen zweiten Wasserkreislauf. Strombetriebene Wärmepumpen bringen dann das Wasser auf Heiztemperatur. Das Seewasser fließt wieder in den See.

Wie können wir uns das genau vorstellen?

Das Wasser hat in der Tiefe eine Temperatur von 4 Grad Celsius. Über ein Rohr leiten wir von dort aus Seewasser zu einem Wärmetauscher, der dem Wasser 1 Grad Celsius entzieht. Diese 1 Grad Celsius speisen wir in das Fernwärmenetz ein.  Strombetriebene Wärmepumpen bringen das Wasser auf Heiztemperatur. Über ein zweites Rohr leiten wir das nun 3 Grad Celsius kalte Wasser zurück in den ‚Glammi‘, wodurch ein Kreislauf entsteht: 1 Grad Celsius wird entnommen, 3 Grad Celsius werden zurückgeleitet. Man kann also sagen: Der ‚Glammi‘ wird den Menschen in Neustrelitz bald mächtig einheizen!

Aber wird der See dann nicht immer kälter?

Der See ist ja nur im unteren Bereich so kalt und oben durch die Sonneneinstrahlung deutlich wärmer. Wir leiten das 3 Grad Celsius kalte Wasser aber weiter oben wieder in den See ein, also dort, wo es deutlich wärmer ist. Im Sommer ergibt sich daraus übrigens ein durchaus positiver Kühlungseffekt.

Hat ein solcher Eingriff in den See denn keine nachteiligen Auswirkungen auf sein ökologisches Gleichgewicht?

Nein, da die Wärmepumpe-Idee ursprünglich von einer Gewässerökologin angestoßen wurde, wurde der Naturschutz von vornherein bei der Umsetzung mitgedacht und beachtet. Durch die besondere Tiefe des Sees zirkuliert das Wasser nämlich nur in seinen unteren Schichten, so dass keine Nährstoffrücklösung in die oberen Schichten stattfindet, die dem See ansonsten Sauerstoff entziehen würde. Übrigens: Auch wenn die Idee für die Region noch einzigartig ist, wurden ähnliche Projekte woanders auf der Welt bereits erfolgreich umgesetzt. Wir erfinden hier das Rad nicht neu… 

Trotzdem: Das klingt nach sehr viel technischem Aufwand für 1 Grad Celsius. Außerdem muss die Wärmepumpe ja auch mit Strom betrieben werden…

1 Grad Celsius klingt erstmal nur wenig, man kann damit aber eine Menge machen. Außerdem lohnt sich das Ganze auf alle Fälle, weil wir so keine fossilen Brennstoffe für die Energiegewinnung mehr verbrauchen. Der Strom für den Betrieb der Wärmepumpe stammt übrigens aus Photovoltaik-Anlagen. Wir kommen unserem großen Ziel einer all-round-lokalen Energiegewinnung für Neustrelitz immer näher…

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